Besuche in Wien

Zurück zu den Anfängen

Im Rahmen meiner Forschungen zu Pater Vitus Georg Tönnemann wollte ich gerne einmal die Stadt besuchen, in der er mehr als 30 Jahre gelebt und gearbeitet hatte.

Im Juli 2002 ergab sich die Möglichkeit, mehrere Tage in der Österreichischen Hauptstadt zu verbringen. Bei den Vorbereitungen für diese Reise hatte ich mir vorgenommen, die Orte zu besuchen, die für mich mit Pater Vitus in Beziehung stehen. Das waren primär die Hofburg, Hofburgkapelle und das Haus der Jesuiten mit der Jesuitenkirche. Es wurde eine Reise in eine prunkvolle Vergangenheit.

Warum gerade diese Orte?

Pater Vitus Georg Tönnemann wurde durch die Wahl Kaiser Karl VI. 1711 zum kaiserlichen Beichtvater und somit wurde Wien, genauer die Hofburg, sein „Dienstsitz“. Wien war die Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches, seit der Habsburger Herzog Albrechts V.1438 zum römisch-deutschen König (Albrecht II.) gewählt wurde.

Nach den Ausführungen von Bernd Thonemann in seinem Buch „Die Familiengeschichte Thonemann von 1275 bis heute /1995“ hat Kaiser Karl VI. täglich die heilige Messe des Paters besucht. Ich vermute, dass der Pater die Messe in der Hofburgkapelle gefeiert hat, da der Weg für den Kaiser kürzer war als zur Jesuitenkirche.

Das Haus der Jesuiten (Jesuitenkloster) war sein Wohnort und sein theologischer Mittelpunkt. Hier hatte er sein Zimmer (Zelle), die Möglichkeit der religiösen Einkehr, z. B. in der Jesuitenkirche, und den Austausch mit seinen Jesuitenbrüdern. Das Kloster war ca. 1,5 km von der Hofburg entfernt und kann somit fußläufig erreicht werden. Vermutlich hat Pater Vitus aber auch ab und an die Hofkutsche für den Weg genutzt.

Hofburg 

Hofburg / Foto: © Bwag/Wikimedia

Die Hofburg war vom 13. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Residenz der Habsburger. Sie besteht aus einer Vielzahl von Gebäudekomplexen wie z.B. den Schweizertrakt, den Leopoldinischen Trakt, der Bibliothek, den Reichskanzleitrakt, der Hofburgkapelle, den Augustinertrakt. Zusammen umfasst das Areal eine Fläche von ca. 24 Hektar. Heute ist die Hofburg der Amtssitz des Österreichischen Bundespräsidenten. In ihr sind der größte Teil der Österreichischen Nationalbibliothek sowie verschiedene Museen (darunter die Albertina) und auch das Bundesdenkmalamt untergebracht

Im Rahmen einer Führung bekam ich einen kleinen Einblick in die Dimensionen der Hofburg und die Pracht der Räume und Flure. Hier spürte man an vielen Stellen die Macht und den Einfluss der Habsburger Kaiser, damit auch den von Kaiser Karl VI.  Ich stellte mir vor, in welchem dieser Räume der Pater Vitus den Kaiser zur Besprechung getroffen hat, wo er mit der Kaiserfamilie zusammen gegessen hatte, in welchem Trakt er wohl sein Arbeitszimmer hatte. Auf jeden Fall muss Pater Vitus bis ins hohe Alter gut zu Fuß gewesen sein, um all die Strecken in den weitläufigen Komplex zurücklegen zu können.

Hofburgkapelle

Hofburgkapelle / Foto: © Bwag/Wikimedia

Die Wiener Hofburgkapelle ist die älteste und Hauptkapelle der Hofburg sowie Hauskapelle der Habsburger. Vermutlich um 1287/88 ließ Albrecht I. eine spätromanische Kapelle errichten, die urkundlich 1296 erstmals erwähnt wurde.

Von 1423 bis 1426 erfolgte unter Albrecht V. eine Erweiterung. Von 1447 bis 1449 ließ sie der spätere Kaiser Friedrich III. im gotischen Stil um- und ausbauen.

Maria Theresia veranlasste einen spätbarocken Umbau der Kapelle. Im Zuge des Klassizismus wurde sie 1802 wiederum regotisiert. In ihr konzertierte die von Maximilian I. gegründete Wiener Hofmusikkapelle, deren Tradition von den Wienern Philharmonikern und den Wiener Sängerknaben fortgeführt wird. Bis zum Ende der Monarchie 1918 diente die Hofburgkapelle als Pfarrkirche der exemten k.u.k. Hof- und Burgpfarre. (Wikipedia 2019)

Haus der Jesuiten mit der Jesuitenkirche

Jesuitenkirche / Foto: © Bwag/Wikimedia
Jesuitenkirche / Foto: © Bwag/Wikimedia

Das Haus der Jesuiten ist rechts an die Jesuitenkirche angebaut. Eine Innenbesichtigung des Gebäudes war leider nicht möglich.

Dafür konnte die prachtvoll ausgestaltete Jesuitenkirche, die neben dem Haus der Jesuiten steht, besichtigt werden. Ihr heutiges Aussehen erhielt die als Langhaus erbaute Kirche, 50 m lang und 26 m breit, durch den Jesuiten Andrea Pozzo, der bereits in Rom ein berühmter Maler und Bildhauer war. Er setzte 1703 als äußere Akzente die beiden Türme dem Gebäude hinzu und gliederte die Fassade neu. Im Inneren gestaltete Pozzo sie opulent in barocker Gestalt, in dem er u. a. über den acht seitlichen Kapellen Emporen einzog. Auch ließ er die Decke der Kirche als eine Scheinkuppel ausmalen.

Haus der Jesuiten Foto: © Bwag/Wikimedia

Wien, die Stadt bei der die Geschichte zur Kulisse wird

 Vielleicht liegt es an der Verbindung zu meinen Vorfahren, weshalb mich diese Stadt so fasziniert hat, oder besser gesagt, so berührt hat. Hier verdichten sich Charakter, Charme und beeindruckende Zeitzeugen zu einem einzigartigen Erlebnis. Nicht von ungefähr gilt Wien als eine der bedeutendsten kulturellen wie auch politischen Metropole Europas. Geschichte wurde für mich hier pur erlebbar.

Eine vielfältigeArchitektur, beeindruckende Bauwerke und weltbekannte Örtlichkeiten wie das Cafe Central, Hotel Sacher, der Prater oder das Schloss Schönbrunn reihen sich auf zu einer bilderbuchartigen, beeindruckenden Kulisse.

Die Reise nach Wien hat mir erlaubt in besonderer Form mit einem meiner Vorfahren in Verbindung zu treten. An einem historisch bedeutenden Ort, der für mich zu einer ganz persönlichen Kulisse wurde, vor der ich einen Teil der Geschichte der Familie Thonemann sowohl als Zuschauer als auch als Mitspieler erleben konnte.

Besuch der Grabstätte

2005 ergaben die weiteren Forschungen zu Pater Vitus, dass er in der Kirche zu den neuen Chören der Engel, schlicht Kirche am Hof, im 1. Wiener Gemeindebezirk 1740 beerdigt worden war.

Nach dieser Entdeckung wuchs mein Wunsch, seine Grabstätte zu besuchen. Dies gestaltet sich leider sehr schwierig, da der Zugang zur Jesuitengruft nicht öffentlich war.

Die Kirche wird von der Kroatischen Mission genutzt und mein Ansprechpartner war Franziskanerpater Ilija Vrdoljak. Mir wurde erklärt, dass man meinen Wunsch nachvollziehen könne, aber zunächst müsste die Gruft für einen Besuch vorbereitet werden. Es wurde angedeutet, dass einige Gebeine der Toten derzeit sichtbar wären und diese erst in einer Öffnung im Boden der Gruft, im Ossuarium, abgelegt werden müssten.

Am 14.07.2009 um 12 Uhr war es soweit.

Mit großer Neugier machte ich mich auf den Weg und traf mich mit Pater Ilija in seiner „Kirche zu den neuen Chören der Engel“, die er mir im Rahmen einer Führung erläuterte. Dabei erwähnte er, dass die Jesuitengruft sich unterhalb des Chorraums befindet. In einem Nebenraum der Kirche war in einer Ecke im Boden eine Metallklappe eingelassen. Nach deren Öffnung wurde eine Treppe nach unten sichtbar und ein kühler, leicht muffiger Geruch kam mir entgegen. Am Ende der zweigeteilten Treppe musste ich mich bücken, um durch den Türrahmen die Gruft zu betreten. Noch nie hatte ich eine solche Gruft gesehen und war deshalb sehr beeindruckt und tief berührt. Ich befand mich in einer anderen Welt. Verwundert war ich über die beiden Totenschädel auf den Altartisch, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Nach einer Zeit des „Ankommens“ führte mich Pater Ilija zur 2. Grabnische, rechts vom Altartisch.

Hier gab es 18 Grabkammern. Die äußerst linke in der 3. Reihe von unten war die von Pater Vitus. Sehr schlicht, nur mit den Daten von Pater Vitus versehen. Auf der Grabplatte, 67 cm breit und 63 cm hoch, war folgendes zu lesen: „P: Vitus Geogius Tönnemann: obii 15. Martii 1740“ (Pater Vitus Georg Tönnemann, gestorben am 15. März 1740).

Ich bedauerte es sehr, dass ich keine Blumen für ihn mitgebracht hatte.

Nach stiller Einkehr vor der Grabkammer führte mich Pater Ilija durch den restlichen Bereich der Gruft und stand mir als kompetenter Antwortgeber zur Verfügung. Seine Schilderungen führen dazu, das vielfältigste Bilder vor meinem geistigen Auge auftauchten und sich wie in einem Fotoalbum ablegten. Nach ca. einer Stunde war mein Besuch beendet. Den restlichen Tag verbrachte ich, dass Erlebte Revue passieren zu lassen. Dabei griff ich auf mein „imaginäres Fotoalbum“ zurück.

Dieser Tag ist bis heute für mich unvergesslich geblieben. Selbst der Geruch der Grabkammer ist fest bei mir verankert. Die Erkenntnis, dass alles mit allem universell verbunden ist, bekommt nach diesem Erlebnis für mich eine völlig neue Bedeutung. Für diese Möglichkeit, das Grab eines solchen berühmten Familienangehörigen nach mehr als 250 Jahren besuchen und so bildhafte erleben zu können, ruft eine tiefe Dankbarkeit in mir hervor.